Die stumme Glocke
Der Dreißigjährige Krieg war zu Ende. Die großen
Heere waren abgezogen, nur einzelne versprengte
Haufen durchstreiften noch die Gegend. Scheu und
verängstigt kehrten die Leute aus den Verstecken und
Schlupfwinkeln in den Wäldern zu ihren Gehöften
zurück, von denen manch eins in Schutt und Asche
lag. Not und Elend waren drückend, denn der Schwed
hatte gewaltig aufgeräumt; was er sich nicht selbst
aneignete, das fiel den Flammen zum Opfer. Die
Bauern wollten nun darangehen und die brachliegenden
Felder wieder bestellen, aber sie konnten es nicht,
weil es ihnen auch an Saatgut mangelte. Und woher
sollte man das Geld nehmen, um in Gegenden, die der
schreckliche Krieg nicht so mitgenommen hatte,
wenigstens einige Sack voll davon zu erstehen? Doch
auch hier wußten die Pettenhofener Rat. Mit
Bewilligung der bischöflichen Obrigkeit in Eichstätt
verkauften sie eine Glocke, von welcher der Chronist
schreibt: Sie war "also schön und groß, das wann
solche geleutet worden, selbe sehr hell und laut in
der Vöstung Ingolstadt gehört wurde". Der Käufer war
die Untere Pfarr zu Ingolstadt. Eine Abordnung der
Stadt war nach Pettenhofen gekommen, um den Klang
der Glocke zu prüfen. Man zeigte sich zufrieden und
kaufte sie.
Die Glocke wurde vom Turm heruntergenommen und
von den Pettenhofenern nach Ingolstadt gebracht, wo
man sie im Glockengestühl der Unteren Pfarr
aufhängte. Die neuen Besitzer hatten an ihr aber
keine so lautere Freude, wie sie erwarteten. Sosehr
sie sich auch bemühten, die Glocke zum Klingen zu
bringen, sie blieb stumm. Man untersuchte den
Klöppel und schlug mit einem Hammer an den
Glockenmantel. Alles war umsonst. Zum letzten mal
hatte sie in Pettenhofen am Sand ihre gewaltige
Stimme ertönen lassen.
Es blieb daraufhin den Schanzern nichts anderes
übrig, als die Glocke mühselig wieder
herunterzunehmen und zu einem Glockengießer zu
bringen. Dieser zerschlug die stumme Glocke und goß
sie zusammen mit neuem Gußmaterial um. Und siehe da,
als man sie nun läutete, war der Bann gelöst, um die
Glocke rief die Gemeinde wieder zuverlässig zum
Gebet.